Demut

Max526
Level 10
Naters, Switzerland

Demut

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Zweimal im Jahr ziehe ich für mich ein Fazit. Das erste kommt zu meinem Geburtstag um mir für das nächste Jahr bewusst zu werden, was ich ändern möchte. Das zweite Fazit ziehe ich in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Das Résumé zum Jahresende soll mir etwas Demut (Respekt, Mässigung, Zufriedenheit, Bescheidenheit, …) für das nächste Jahr mitgeben. Diese Erfahrung möchte ich gerne dieses Jahr mit euch teilen.


Demut besteht nicht darin, sich geringer als die anderen zu fühlen, sondern sich von der Anmassung der eigenen Wichtigkeit zu befreien.
Matthieu Ricard


Demut bedeutet also nicht, weniger von sich zu halten, sondern weniger an sich selbst zu denken.


Demut ist für mich mehr als nur einfach ein Wort, das man mit ein paar Synonymen umschreiben könnte. Für mich bedeutet es mich zu erden. Mir meines Handelns bewusster zu werden. Mehr Bewusstsein darüber, dass sehr vieles in meinem Leben nicht so selbstverständlich ist, wie ich es jeden Morgen erachte.

 

Gefangen im Luxus der Flatrate


Es ist erstaunlich, wie schnell wir uns an etwas gewöhnen können und es als selbstverständlich erachten. Wir sind in einer Spirale von Konsum und Verschwendung gefangen, die durch steigende Erwartungen und tiefen Preisen weiter angefeuert wird.


Wir haben durchgehend fliesendes Wasser in der Qualität, dass wir es trinken können und dennoch ist das nicht genug. Wir kaufen pseudo «Premium Tafel- / Mineralwasser» das von der Qualität im Vergleich zu vielen Regionen sogar schlechter ist.


In vielen Städten wurde ein Netzwerk der öffentlichen Verkehrsmittel geschaffen, welches wirklich erstaunlich ist. Zum kleinen Preis kommen wir durch die ganze Stadt und verstopfen die Strassen dennoch mit unseren Autos, weil wir unsere zwei Tüten nicht 25 Meter tragen möchten und mit Wartezeiten im Bereich von Minuten nicht mehr umgehen können.


Vor noch nicht all zu langer Zeit mussten wir für unser Internet einen Minutenpreis zahlen, Telefonieren war teuer und Anrufe ins Ausland wurden sehr kurz gehalten. Heute zahlen wir ein paar Euros für Telefon und Internet und können sogar in viele Länder kostenlos anrufen. Flatrates für Handys sind inzwischen auch zur Normalität geworden und wir machen uns auch kaum noch Sorgen um unser Internetvolumen im Urlaub.


Vorbei sind die Zeiten als man noch VHS/DVD oder Musik auf CD verschenkt hat. Heute ist es ein Gutschein für 3 Monate Spotify, Netflix & Co.
Musikflatrates sind super. Wir zahlen einfach ein paar Euros und können so viel Musik hören wie wir möchten. Oder Netflix. Filme von Früh bis Spät ohne Limit über ein Internet mit einer Geschwindigkeit, die vor 20 Jahren nur ein Traum gewesen wäre.


Unsere Gegenstände des täglichen Lebens bis hin zu Geschenken kaufen wir schon lange online und lassen sie uns ohne Versandkosten liefern. Wenn die Lieferdienste unter unserem Konsumwahnsinn zusammenbrechen und keine neuen Mitarbeiter finden, müssen wir uns darüber beklagen, dass wir unsere Waren nicht innerhalb von 2 Tagen vor der Türe liegen haben. Und wenn wir in unserem Kaufrausch die falsche Farbe, Grösse oder Muster bestellt habe, schicken wir das Teil einfach wieder kostenlos zurück und bestellen gleich ein Neues. Kommt ja in 2 Tagen an; Ein Hoch auf die Versandflatrate…


Obwohl unsere Kühlschränke so voll sind, dass wir nicht mal mehr wissen oder erkennen können, was da alles drin ist, gehen wir gerne mal zum Essen. Dann gibt es das Buffett für 13.50 Euro und wir können trinken und essen, so viel wir können. In der Google Bewertung für das Restaurant dann noch erwähnen, dass all die 10 unterschiedlichen Nachspeisen nicht hausgemacht waren, unsere Lieblingsspeise 20 Minuten vor Schliessung schon aus war und wir unter den 10 Getränken nichts gefunden habe, was uns so richtig gut geschmeckt hat. Und das obwohl wir doch 13.50 Euro für die Futterflatrate gezahlt haben.

 

Mal davon abgesehen, dass wir uns an den Luxus schnell gewöhnen und der Wert des Besonderen für uns sinkt. Welchen Wert hat etwas, wofür wir nicht direkt zahlen müssen. Müssten wir für jede falsche Bestellung den Rückversand zahlen oder für jede 100 Gramm, welche wir nicht gegessen oder getrunken haben, eine Straffe zahlen, wären wir deutlich umsichtiger und genügsamer. Wie wäre es mit einer doppelten Abwassergebühr für verschwendetes Leistungswasser oder steigende Kosten für Wasser mit der Dauer der Dusche.


Wir haben all diese Einschränkungen nicht. Wir leben im Zeitalter der Flatrates. Telefonieren, Internet, SMS & WhatsApp, Musik und Film, YouTube und so viel mehr.

Lasst uns gemeinsam einen Blick zurück auf die vergangenen Monate des letzten Jahres werfen. In Demut betrachten, welch alltägliche Freude unser ist und wir es nicht schätzen, weil wir es vielleicht nicht einmal mehr wahrnehmen.


Der Mensch ist nicht für Zufriedenheit gemacht. Er giert immer nach Mehr.


So lasst uns etwas mehr Bescheidenheit leben, wo uns sonst die Gier ergreift. Lasst uns beim Einkaufen gemässigter sein; Denn selbst bei 50% Rabatt ist noch 50% zu viel bezahlt, wenn wir es wegwerfen.
So lasst uns alle in ein neues Jahr starten, in dem wir unserem alltäglich gewordenen Luxus, unseren ungeachteten Wohlstand und unsere vergessenen Erfolge mit neuem Respekt und Freude in Demut betrachten. Wir alle sollten dankbar sein für das was wir haben; Denn es könnte deutlich weniger sein.

 

 

Zum Schluss noch eine persönliche Angelegenheit. Gelegentlich lese ich Beiträge, in denen die Umgangsform nicht gewahrt wird. Ich habe auch schon öfter Beiträge nicht weitergelesen, da mir der Ton einfach nicht gefallen hat. Bitte denkt daran, dass es egal ist, wie oft eine Frage schon gestellt wurde oder wie lange ihr hier dabei seid. Der Ton macht die Musik und in unserem Fall ist die Wortwahl entscheidend.


Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist der gleiche wie zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.
Mark Twain

 

(Geschrieben am 30.12.2019)

5 Antworten 5
Ralf5
Level 10
Inzell, Germany

Vielen Dank @Max526 , dass Du Deine Gedanken für einen kritischen Jahresrückblick mit uns teilst.

 

Du sprichst mir aus der Seele und wir sollten alle in unserem Konsumverhalten etwas mehr Bescheidenheit an den Tag legen.

Monika--Elisabeth0
Level 10
Vienna, Austria

@Max526,  es tut gut so etwas zu lesen - danke.

 

Was mich so in den letzten Tagen beschäftigte:

 

Whatsapp : Überlastete Handys, weil "Glückwünsche" in Form von Bildchen, Kurzvideos etc. an möglichst viele Kontakte verschickt wurden.  An Menschen, die wir während des Jahres weder denken noch sie kontaktieren.

Wieviel sozialer wäre es, stattdessen ab und zu das Telefon zum Telefonieren zu benützen und diese Kontakte auch zu pflegen, statt in den "social medias"  likes zu verteilen und emoticons zu verschicken.

 

Geburtstag:  Ich feiere ihn jedes Jahr aus Dankbarkeit, dass ich diesen Tag erleben darf.   Das ich in einem sicheren Land mit einem hohen Lebensstandard lebe.

Feiern heißt für mich:  mit Menschen die mir wichtig sind, einige Stunden Zeit zu verbringen.

 

Aus meiner Einladung für das nächste "Jahresfest"

"Das Schönste, was du jemanden schenken kannst ist Zeit, denn damit schenkst du ein Stück von deinem Leben ". (Autor unbekannt).

 

 

Sybille-and-Harry0
Level 10
Hamburg, Germany

@Max526 

Danke für Deinen Beitrag, Du sprichst mir ebenfalls aus der Seele.

Da ich nicht religiös bin ist der Jahreswechsel seit langem der Tag der Besinnlichkeit.

Für mich auch der Zeitpunkt dankbar zu sein und auch mit Umständen Frieden zu schließen, welche nicht zu ändern sind.

Anna
Community Manager
Community Manager
London, United Kingdom

Vielen Dank @Max526 für deinen Beitrag! Heutzutage werden viele Dinge für selbstverständlich genommen, von welchen andere Menschen nicht mal träumen können. Man konzentriert sich zu sehr auf irrelevante Sachen und vergißt die wichtigen Dinge im Leben 😞 Der Anfang des neuen Jahres ist eine gute Zeit, um sich über all das Gedanken zu machen. 

                             

 

Vielen Dank für die gemeinsame Zeit im Community Center! Begrüßt die neue Community Managerin Juliane HIER.  Klickt HIER, um eine Unterhaltung mit anderen Mitgliedern zu beginnen. 

Tamara206
Level 10
St Stephan, Switzerland

@Max526

Danke, ein guter Beitrag. 

Ich persönlich merke um so älter ich werde wird mir mit dem Handy und all dem schnell und mehr einfach alles manchmal Zuviel. Es ist auch ein Grund warum ich nicht permanent auch der community Seite anzutreffen bin. Klar ist meine Gäste können mich so lange ich wach bin erreichen, danach stelle ich alles ab was man nur abstellen kann. 🙂 und das tut gut. 

Mit meinen zwei Hütten ohne Strom und Wasser vor/neben dem Haus kann man sich in einer Woche recht gut erholen. Runterfahren! Entschleunigen! Wie die Hühner ins Bett und wieder auf! 

Was will man mehr? Bescheiden leben ist bald ein Luxus der sehr wertvoll ist.

 

 

 @Monika--Elisabeth0 

Der Spruch finde ich sehr gut. Jedenfalls nachdem man viele Liebe Leute im näheren Umfeld verloren hat ist egal mit wem jeder Moment mit jemanden sehr wertvoll, wer weiss ob er/sie morgen noch da ist. Daher habe ich immer Zeit zu einem Schwatz beim Kaffee oder auch über Telefon,  die Arbeit je nachdem was, kann auch morgen gemacht werden. Auch wenn der Spruch "was heute machen kannst dann mach es", so etwas stresst erneut und muss nicht unbedingt sein. 

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