Adventskalender 2019 - Türchen 8

Anna
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Adventskalender 2019 - Türchen 8

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Den heutigen Adventskalender-Beitrag hat @Patricia741  vorbereitet - leider kann sie den Beitrag nicht selbst veröffentlichen aufgrund des Login-Problems, daher mache ich es in Patricias Namen. 

 

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„ …denn sie hatten keinen Raum in der Herberge“ von Daphne Du Maurier

 

Familie Lawrence bewohnte ein großes Haus unmittelbar vor der Stadt. Mr. Lawrence war ein großer beleibter Mann mit einem runden, stets lächelnden Gesicht. Erfuhr jeden Tag mit dem Wagen in sein Büro, wo er einen Diplomatenschreibtisch und zwei Sekretärinnen hatte. Er telefonierte den ganzen Tag, aß zwischendurch mit Geschäftsfreunden zu Mittag und telefonierte dann weiter. Er verdiente viel Geld. Mrs. Lawrence hatte blondes Haar und meerblaue Augen. Mr. Lawrence nannte sie Kätzchen, aber sie war keineswegs unselbstständig. Sie hatte eine entzückende Figur und lange Fingernägel und spielte fast jeden Nachmittag Bridge. Bob Lawrence war zehn. Er sah genau wie Mr. Lawrence aus, nur kleiner. Seine ganze Leidenschaft waren elektrische Eisenbahnen, sein Vater hatte für den Garten eine Miniatureisenbahn anlegen lassen. Marigold war sieben Jahre alt. Sie sah genau wie ihre Mutter aus, nur runder. Sie hatte fünfzehn Puppen, die sie fortwährend entzweibrach.
Es gab eigentlich nichts, wodurch man die Familie Lawrence von irgendeiner anderen hätte unterscheiden können. Und daran lag es vielleicht. Sie waren eben ein wenig zu sehr wie alle anderen auch. Das Leben war eine bequeme und einfache Sache, und das war natürlich sehr erfreulich.
Am Weihnachtsabend tat Familie Lawrence ungefähr dasselbe wie jede andere Familie auch. Mr. Lawrence war früh aus der Stadt gekommen und passte auf, dass im Haus alles richtig für den kommenden Tag vorbereitet wurde. Er lächelte mehr als gewöhnlich, hatte die Hände in den Hosentaschen, und wenn er über den Hund stolperte, der sich hinter den Mistelzweigen versteckt hatte, schimpfte er: „Sieh dich doch vor, du dummes Vieh!“
Mrs. Lawrence hatte ausnahmsweise den Bridgenachmittag abgesagt und spannte eine lange Schnur mit Lampions durch das Esszimmer. Eigentlich reihte der Gärtnerjunge die Lampions auf die Schnur, aber Mrs. Lawrence versah sie mit kleinen bunten Papierkrausen und reichte sie ihm dann. Da sie fortwährend dabei rauchte, bekam der Gärtnerjunge den Rauch in die Augen, aber er war zu höflich, um ihn abzuwehren. Bob und Marigold rannten unablässig durch das Esszimmer, sprangen auf Sofas und Sesseln herum und riefen: „Was bekomme ich morgen? Kriege ich die Eisenbahn? Kriege ich eine Puppe?“ bis Mr. Lawrence genug hatte und sagte: „ Wenn ihr nicht bald aufhört, bekommt ihr gar nichts.“ Aber er sagte es in einem Ton, der nicht ganz ernst zu nehmen war….
Gerade als die Kinder ins Bett sollten, wurde Mrs. Lawrence ans Telefon gerufen. Sie sagte: „Ausgerechnet jetzt!“ und der Gärtnerjunge bekam noch etwas mehr Rauch in die Augen. Mr. Lawrence nahm einen Mistelzweig und steckte ihn hinter ein Bild. Er pfiff fröhlich vor sich hin.
Mrs. Lawrence war fünf Minuten fort, und als sie zurückkam, blickte sie unruhig mit ihren blassen Augen um sich und war völlig aufgelöst. Sie sh jetzt wirklich wie ein Kätzchen aus, das man aufhebt und streichelt und dann gleich wieder hinsetzt.
„Was zum Teufel ist denn los?“ fragte Mr. Lawrence. „es war die Flüchtlingsbeauftragte vom Bezirk“, sagte Mrs. Lawrence, „du weißt- ich hab’s dir erzählt, dass die Gegend mit Flüchtlingen überfüllt ist. Und, wie alle anderen auch, die Platz hatten, musste ich unseren Namen in eine Liste eintragen, gleich zu Anfang, als die Sache losging. Ich habe es nie ernstlich genommen, dass man darauf zurückkommen würde. Und nun ist es soweit. Wir müssen ein Ehepaar aufnehmen heute abend.“
Mr. Lawrence hörte auf zu lächeln. „Na, hör mal“, sagte er, „der Flüchtlingsbeamte kann einen doch so etwas nicht ohne Ankündigung zumuten. Weshalb hast du ihm nicht gesagt, er solle sich zum Teufel scheren?“ „Das hab‘ ich“, entgegnete Mrs. Lawrence entrüstet, „aber er konnte mir auch nur sagen, dass er es sehr bedaure. Es ginge allen anderen auch so, und er sagte etwas von einer Zwangsmaßnahme, was ich nicht verstand, aber es hörte sich scheußlich an.“
„Das kann man nicht von uns verlangen“, sagte Mr. Lawrence und schob den Unterkiefer vor. „Ich werde die maßgebliche Stelle anrufen und dafür sorgen, dass dieser Beamte entlassen wird, ich werde sofort in die Stadt fahren, ich werde…“
„Das hat doch gar keinen Sinn“, sagte Ms. Lawrence. „Weshalb sollen wir uns auch noch arüber aufregen. Du vergisst, dass heute Weihnahten ist und du jetzt keinen mehr in der Stadt antriffst. Außerdem sind die Leute schon zu uns unterwegs, und wir können nicht gut die Türen verriegeln. Ich glaube, ich überlasse es den Dienstboten.“ „Was wollen die Flüchtlinge „, schrien die Kinder aufgeregt. „Wollen die unsere Sachen wegnehmen? Wollen sie in unseren Betten schlafen?“ „Selbstverständlich nicht“, sagte Mrs. Lawrence streng, „seid doch nicht so idiotisch!“
„Wo bringen wi sie unter ?“ fragte Mr. Lawrence. Wi werden alle Zimmer voll haben, da ja Dalys und Collin’s morgen kommen. Du willst doch wohl nicht, dass wir ihnen jetzt absagen?“
„Keine Angst“, sagte Mrs. Lawrence. Ihre blauen Augen blitzten. „Es hat jedenfalls den Vorteil, dass wir mit gutem Gewissen sagen können, das Haus ist voll. Nein, die Flüchtlinge können die Zimmer über der Garage haben. Das Wetter war in den letzten Tagen gut, deshalb wird es nicht zu feucht sein. Es ist ein Bett vorhanden, das wir vor einigen Monaten aus dem Haus gesetzt haben, weil die Sprungfedern nicht mehr taugen. Aber es ist sonst in Ordnung. Und ich glaube, die Dienstboten haben den Petroleumofen, den sie nicht gebrauchen.“
Mr. Lawrence lächelte. „Du hast schon alles überlegt, nicht wahr?“ sagte er. Du weißt doch immer alles am besten, Kätzchen. Also gut, solange sie uns nicht stören, ist es mir gleich. „ Er ließ sich mit plötzlicher Erleichterung in die Knie nieder und hob Marigold auf. „Wir wollen uns jedenfalls nicht unser Weihnachten dadurch verderben lassen, nicht wahr, Süße?“ sagte er. Dann warf er Marigold in die Luft, und sie kreischte vor Vergnügen. „Das ist ungerecht“, sagte Bob mit rotem Gesicht. „Marigold ist jünger als ich und will genauso einen großen Strumpf aufhängen wie ich. Ich bin der älteste und muss doch den größten haben, nicht wahr?“
Mr. Lawrence zauste das Haar seines Sohne. „Sei ein Mann, Bob“, sagte er „und ärgere deine Schwester nicht. Ich habe morgen etwas viel Schöneres für dich, als irgendeinen Spielkram, den du in deinem Strumpf finden wirst.“Bob’s finsteres Gesicht hellte sich auf. „Ist es etwas für meine Eisenbahn?“ fragte er neugierig. Mr. Lawrence blinzelte ihm zu und wollte nicht antworten. Bob begann in seinem Bett auf und nieder zu springen. „Mein Geschenk ist viel größer als Marigolds“, rief er triumphierend, „viel, viel größer.“
„Stimmt ja gar nicht, stimmt ja gar nicht“, schrie Marigold mit Tränen in den Augen. „Meines ist ebenso schön, nicht wahr Dad?“ Mr. Lawrence rief das Kindermädchen: „Kommen Sie und beruhigen die Kinder. Ich glaube sie werden sonst zu aufgeregt.“
Er lachte und ging die Treppe hinunter. Auf halber Höhe kam ihm Mrs. Lawrence entgegen. „Sie sind eben angekommen“, sagte sie. In ihrer Stimme lag eine Warnung.
Mr. Lawrence sagte irgendetwas dazu, zog dir Krawatte zurecht du nahm einen Gesichtsausdruck an, den er gegenüber Flüchtlingen für angemessen empfand.
Es war eine Mischung aus Ernst und Großmut. Er ging die Auffahrt entlang zur Garage kletterte die verfallende Treppe hinauf.
„Oh, guten Abend“ sagte e laut und jovial, als er ins Zimmer trat. „Habt ihr alles was ihr braucht?“
Der Raum war nur spärlich beleuchtet, denn die einzige Glühbirne war monatelang nicht abgestaubt worden und hing weit weg vom Bett, Tisch und Ofen entfernt in einer Ecke.
Die Frau saß am Tisch und packte den Korb aus, dem sie einem Laib Brot und zwei Tassen entnahm. Der Mann breitete eine Decke über das Bett aus. Als Mr. Lawrence zu sprechen begann, richtete er sich auf und drehte sich zu ihm um. „Wir sind Ihnen sehr dankbar“, sagte er, „so sehr dankbar!“ Mr. Lawrence hustete und lachte ein wenig. Schon gut, schon gut“, sagte er, „es macht gar keine Mühe .“

 

Die Frau hatte große, dunkle Augen mit tiefen Schatten darunter. Sie sah kränklich aus. „Haben sie Wünsche ?“ fragte Mr. Lawrence. Die Frau antwortete diesmal. Sie schüttelte dem Kopf. „Wie benötigen nichts“ sagte sie. „Wir sind sehr müde.“
„Überall war es voll“, sagte der Mann. „Niemand konnte uns aufnehmen. Es ist sehr freundlich von Ihnen“. „Keine Ursache , keine Ursache „, sagte Mr. Lawrence abwinkend. „Es ist gut, dass wir dieses Zimmer leer hatten. Sie müssen schweres durchgemacht haben in ihrer Heimat.“

 

Sie antworteten nichts darauf.
„Nun“ sagte Mr. Lawrence, wenn ich also nichts mehr für sie tuen kann will ich Ihnen gute Nacht sagen. Vergessen Sie nicht den Ofen kleiner zu drehen, falls er rauchen sollte. Und—hmm—falls Sie noch etwas zu essen oder mehr Wolldecken haben möchten oder sonst irgendetwas, so klopfen Sie nur an die Hintertür und sagen es den Dienstboten. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, „ sagte sie, und dann fügte die Frau hinzu: „Und ein frohes Weihnachtsfest.“

Mr. Lawrence blickte sie erstaunt an. „O ja“ sagte er. „Ja natürlich. Recht vielen Dank.“ Er schlug den Kragen hoch, als er zur Vordertür zurückging. Es war kalt. Es würde sicher heftigen Frost geben. Der Gong rief gerade zum Abendessen, als er in die Halle eintrat. Der Gärtnerjunge war mit dem Aufhängen der Laternenaufziehen fertig, und sie hingen nun, im Luftzug pendelnd, von der Decke herunter. Mrs. Lawrence stand am Tisch neben dem Kamin und mischte einen Cocktail. „Beeil‘ dich“ rief sie über die Schulter, „das Essen wird kalt, und wenn ich etwas verabscheue, dann ist es lauwarmer Entenbraten. „Schlafen die Kinder schon?“ fragte Mr. Lawrence. „Ich glaube nicht“, sagte Mrs. Lawrence. Es ist so schwierig, sie am Weihnachtsabend zur Ruhe zu bringen. Ich habe den beiden etwas extra Schokolade gegeben und ihnen gesagt, dass sie still sein sollen. Möchtest du etwas trinken?“ Später, bevor sie zu Bett gingen, steckte Mr. hon?“ fragte Mr. Lawrence den Kopf aus der Badezimmertür, eine Zahnbürste in der Hand. „Komisch“, sagte er, „ die Frau hat frohe Weihnachten gewünscht. Ich habe nie gewusst, dass solche Leute sich um Weihnachten kümmern.“ „Ich glaube, sie wird nicht wissen, was es bedeutet“, sagte Mrs. Lawrence und klopfte ein wenig Hautcreme auf ihre runden dicken weichen Wangen.
Nach und nach verlosch im Haus das Licht. Familie Lawrence schlief. Der Himmel draußen war sternenklar. Nur in dem Raum über der Garage brannte eine winzige Lampe.
„Nun guck‘ doch mal, ich hab ein Flugzeug gekriegt und auch eine neue Lokomotive für meine Eisenbahn“, schrie Bob. „Sieh, sie funktioniert genau wie ein richtiges. Guck‘ mal die Propeller an !“ „Hab‘ auch zwei Sachen von Dad bekommen?“ fragte Marigold und durchwühlte fieberhaft das auf ihrem Bett herumliegende Einwickelpapier. Dabei warf sie die große Puppe beiseite, die sie gerade ausgepackt hatte. „Schwester“, kreischte sie, „ wo ist mein anderes Geschenk von Dad?“ Sie hatte heiße rote Backen. „Das kommt davon ,wenn man nie genug kriegen kann“. Höhnte Bob. „Sieh, was ich bekommen habe!“ „Ich mach dein albernes Flugzeug kaputt“, sagte Marigold. Und Tränen liefen ihr über die Wangen. „ Du musst am Weihnachtstag nicht streiten“, sagte die Schwester und zog triumphierend eine kleine Schachtel aus dem Berg von Einwickelpapierhervor. „Sieh Marigold, was mag da wohl drin sein?“ Marigold riß das Papier herunter. Dann hielt sie eine glitzernde Halskette in der Hand. „Ich bin eine Prinzessin!“ rief sie. „Ich bin eine Prinzessin!“ Bob warf ihr einen verachtungsvollen Blick zu. „Sie ist nicht sehr groß“, sagte er.
Im Erdgeschoss bekamen Mr. und Mrs. Lawrence den Tee gebracht. Der elektrische Ofen war eingeschaltet, die Vorhänge zurückgezogen und das Zimmer vom Schein der Morgensonne durchflutet. Die Briefe und Pakete waren jedoch noch ungeöffnet, denn beide Mr. und Mrs. Lawrence, hörten mit Entsetzen an, was Anna, das Dienstmädchen, zu erzählen hatte.
„Ich kann es nicht glauben, es ist Unsinn“, sagte Mr. Lawrence. „Ich schon. Es ist eben typisch für diese Leute“, sagte Mrs. Lawrence. „Habe ich nicht gesagt, man sollte diese Flüchtlingsbeamten zum Teufel jagen?“ sagte Mr. Lawrence. „Ich glaube nicht, dass er es gewußt hat“, sagte Mrs. Lawrence. „Sie haben verdammt gut aufgepasst, dass keiner etwas merkte. Aber wir können sie jetzt nicht hierbehalten, soviel ist gewiss. Es ist niemand da, der für die Frau sorgen kann.“
„Wir müssen einen Krankenwagen telefonieren und sie fortschaffen lassen, sagte Mr. Lawrence. Ich fand gleich, dass die Frau schlecht aussah. Sie muss ziemlich robust sein, wenn sie alles allein überstanden hat.“ „Oh, diese Art Leute bekommen die Kinder fast mühelos“, sagte Mr. Lawrence. „ Sie merken es kaum, Gott sei Dank, dass sie im Garagenzimmer waren und nicht im Haus. --- Und Anna“, rief sie, als das Mädchen aus dem Zimmer ging, „ sagen Sie auf jeden Fall der Schwester, dass die Kinder nicht in die Nähe der Garage gehen, bevor der Krankenwagen da gewesen ist.“ Dann wandte sie sich den Briefen und Paketen zu. „Jedenfalls werden sich über die Geschichte alle köstlich amüsieren“, sagte Mr. Lawrence. „Sie läßt sich so schön beim Puter oder Plumpudding erzählen.“
Sie frühstückten und kleideten sich an. Und nachdem die Kinder ihre Geschenke gezeigt und auf den Betten herumgetobt hatten, gingen Mr. und Mrs. Lawrence zur Garage hinüber, um zu sehen, was man mit den Flüchtlingen machen könnte. Die Kinder waren in ihrem Zimmer hinaufgeschickt worden, um mit den neuen Sachen zu spielen, denn schließlich ar es das, was geschehen war, nicht gerade angenehm, wie Mrs. Lawrence gemeint und die Schwester ihr beigepflichtet hatte. Und außerdem konnte man nie wissen.
Als sie zur Garage kamen, finden sie einen Teil der Dienerschaft auf dem Hof versammelt. Der Koch war d, der Hausdiener und eins der Dienstmädchen, der Chauffeur und sogar der Gärtnerjunge. „Was ist denn hier los?“ fragte Mr. Lawrence. „Sie sind ausgezogen“, sagte der Chauffeur. „Was hißt ausgezogen?“ „Der Mann ging fort, als wir beim Frühstück waren und besorgte ein Taxi“, sagte der Chauffeur. „Er muss zu dem Stand am Ende der Straße gegangen sein. Er hat keinem von uns ein Wort gesagt.“
„Und wir hörten beim hinteren Tor einen Wagen vorfahren“, berichtete der Koch weiter, „ und er und der Taxifahrer haben die Frau in den Wagen getragen.“
„Der Mann hat sich nach einem Krankenhaus erkundigt, und wir haben ihm gesagt, dass er uf dem Weg zu einem Hospital ist“, sagte der Chauffeur. „Er sagte, es tät ihm leid, dass er uns so vile Mühe gemacht hätte. Ziemlich sturer Kerl, den hat nichts erschüttert.“ „Und das Baby! Wir haben das Bby gesehen“ kicherte das Dienstmädchen und wurde dann plötzlich ohne Grund über und über rot.
„Nun“, sagte Mr. Lawrence, „dann bleibt wohl für keinen von uns mehr etwas zu tuen.“

 

Die Diener verschwanden. Die Aufregung war augenblicklich vorüber. Man musste Anstalten für die Weihnachtsgesellschaft treffen, und manchen von ihnen waren die Beine schon müde, obgleich es erst zehn Uhr war.

„Wir sehen doch besser einmal nach“, sagte Mr. Lawrence und deutete mit dem Kopf auf die Garage. Mrs. Lawrence verzog das Gesicht und folgte ihm. Sie kletterten die verfallenden Treppe zu dem kleinem dunklen Zimmer auf den Dachboden hinauf. Es war kein Zeichen der Unordnung zu sehen. Das Bett stand wieder an der Wand, und die Wolldecken lagen sauber zusammengefaltet am Bettenende. Stuhl und Tisch waren am üblichen Platz. Das Fenster stand offen, damit frische Morgenluft hereinkommen konnte. Der Ofen war ausgedreht. Nur ein Umstand deutete darauf hin, dass der Raum benutzt worden war: auf dem Boden, neben dem Bett, stand ein Glas kaltes Wasser. Mr. Lawrence sagte nichts. Auch Mrs. Lawrence sagte nichts. Sie gingen zum Haus zurück und begaben sich in Esszimmer. Mr. Lawrence trat ans Fenster und blickte in den Garten. Hinten in der Ecke konnte er Bob’s Miniatureisenbahn sehen. Mrs. Lawrence öffnete ein Paket, das sie beim Frühstück nicht bemerkt hatte. Über ihnen ließen Rufe und Schreie darauf schließen, dass die Kinder sich freuten oder miteinander zankten. „Was ist mit deinem Golf? Wolltest du die anderen nicht um elf treffen?“ fragte Mrs. Lawrence.
Mr. Lawrence setzte sich in den Sessel am Fenster. „Ich habe keine große Lust“, sagte er. Mrs. Lawrence stellte das Frisierkästchen hin, das sie gerade ausgewickelt hatte.

„Komisch“, sagte sie, „ich fühle mich auch ein bisschen erschöpft, nicht ein bisschen weihnachtlich.“

Durch die offene Tür konnten sie sehen, wie im Esszimmer der Tisch zum Mittagessen vorbereitet wurde. Die Dekoration mit den kleinen Blumensträußen zwischen dem Tafelsilber wirkte sehr gut. In der Mitte lag ein großer Haufen Knallbonbons.
„Ich weiß wirklich nicht, was wir noch hätten tuen können“, sagte Mr. Lawrence plötzlich.
Mr. Lawrence antwortete nicht. Er erhob sich und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Mrs. Lawrence steckte den Mistelzweig hinter dem Bild zurecht. „Schließlich haben sie um nichts gebeten“, sagte Mrs. Lawrence. „Der Mann hätte sicher etwas gesagt, wenn es der Frau sehr schlecht gegangen wäre oder dem Baby. Ich glaube bestimmt, dass die beiden wohl auf sind. Diese Sorte ist ziemlich zäh.“ Mr. Lawrence nahm eine Zigarre aus der Westentasche und steckte sie wieder ein. „Sie werden es im jüdischen Hospital viel besser haben als sie es hier hätten haben können“, sagte Mrs. Lawrence, „erstklassige Pflege—und überhaupt alles. Abgesehen davon: da sie plötzlich und ohne ein Wort zu sagen fortgefahren sind, hatten wir ja auch gar keine Gelegenheit, irgendetwas anzubieten. „--
Mr. Lawrence nahm ein Buch in die Hand und schloss es wieder. Mrs. Lawrence verdrehte fortwährend den Gürtel ihres Kleides und zog ihn wieder zurecht. „Natürlich“, sagte sie eifrig, „werde mich erkundigen, wie es ihnen geht, und Obst und Sachen mitnehmen und vielleicht auch ein paar warme Wollsahen und fragen, ob sie sonst irgend etwas wünschen. Ich würde gleich heute morgen gehen, aber ich muss ja mit den Kindern in die Kirche….“
Und dann ging die Tür auf, und die Kinder kamen ins Zimmer. „Ich hab meine neue Kette um“, sagte Marigold, „Bob hat überhaupt nichts Neues, was er tragen kann.“ Sie tänzelte auf den Zehenspitzen. „Beeil‘ dich, Mummy, es wird sonst zu spät, und wir können gar nichts sehen, wie alle die Leute in die Kirche kommen.“ „Hoffentlich singen sie –Kommet ihr Hirten-!“ sagte Bob. „Wir haben den Text in der Schule gelernt, und ich brauche dann nicht in das Buch zu sehen. Weshalb wurde Jesus in einem Stall geboren, Dad?“ „Es war für sie kein Raum in der Herberge“, sagte Mr. Lawrence. „Warum waren sie Flüchtlinge?“ sagte Marigold.
Einen Augenblick antwortete niemand, und dann stand Mrs. Lawrence auf und ordnete ihr Haar vor dem Spiegel. „Stell‘ nicht solch albernen Fragen, Liebling“, sagte sie.
Mr. Lawrence stieß das Fenster auf. Durch den Garten her war der Klang der Kirchenglocken zu hören. Die Sonne schien auf den weißen Raureif und ließ ihn wie Silber glitzern. Mr. Lawrence hatte einen Ausdruck im Gesicht.
„Ich wünschte….“, begann er, „ich wünschte….“
Aber er kam nicht so weit, zu beenden, was er sagen wollte, denn zwei Wagen, die die Familien Daly und Collins brachten, fuhren ins Tor ein und die Auffahrt hinauf. Und die Kinder rannten mit Freudenrufen nach draußen auf die Freitreppe und riefen:
„Fröhliche Weihnachten!“

                             

 

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4 Antworten 4
Patricia741
Level 10
Rösrath, Germany

@Anna    &   @Gerlinde0 

Danke für eure Unterstützung , seit heute morgen konnte ich auch wieder im CC mitlesen und schreiben.

Viel Spaß beim Lesen und auch ein Anstoss zum Nachdenken.  Herzliche Grüße Patricia

Anna
Community Manager
Community Manager
London, United Kingdom

@Patricia741 vielen Dank noch einmal für deinen Beitrag! Schön dich wieder im CC zu sehen 🙂 

                             

 

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Veronica-and-Richard0
Level 10
Lebach, Germany

Danke, @Patricia741 , fuer die schoene fast wahre Geschichte:-)

 

Was mir als erstes in den Kopf kam:

 

erfordert das neue Kind eine Umbuchung?
Sind die Gaeste wieder ausgezogen weil die Umgebung nicht kleinkindgeeignet war?

 

Ist bei dem alten Garagenofen ein CO/CO2-Melder?

 

Ansonst ist es bei uns zu Weihnachten aehnlich;
unsere Dauergaeste aus England muessen wohl ueber Weihnachten bei
uns bleiben; sie haben wahrscheinlich von der Logistikfirma hier,
wo sie arbeiten, Urlaubssperre bis Anfang 2020,
aber noch nicht sicher.

 

Allerdings zahlen sie im Gegensatz zur Geschichte fuer die Unterkunft,
sind wohl auch zu alt fuer Nachwuchs und wohnen in einem richtigen Zimmer,
obwohl die Garage frei waere 🙂
Obwohl, wenn es die Moeglichkeit einer Geburt von einer Jungfrau gibt,
geht das bestimmt auch bei aelteren Frauen!

 

Und wir haben kein Personal sondern nur unsere Alexa und andere Helferlein.

 

Ob uns Alexa ein Kindlein bringt?

Christine1528
Level 3
Halle (Saale), DE

Eine tolle Geschichte, die genau das beschreibt, was ich immer wieder erlebe. Ich kenne viele Leute aus Syrien, Tunesien, Dagestan und dem Libanon. Was wäre normal gewesen? Wie hätte man einheimische Gäste empfangen, selbst wenn sie fremd gewesen wären? Fragt einen jungen "Ausländer ", ob er euch den Kinderwagen mit über eine Treppe trägt, oder lächelt die Frau mit Kopftuch an der Haltestelle an. Sie werden dankbar dafür sein, denn viele fühlen sich, als würden sich die Leute bemühen, sie nicht wahrzunehmen. Um Hilfe gebeten werden, in ein Gespräch verwickelt zu werden- Normalität nach der sich viele sehnen. Ein syrischer junger Mann hat einmal zu mit gesagt, als ich ihm Dinge für seinen kleinen Haushalt angeboten habe: "Ich brauche keine Dinge, ich brauche Herz".

 

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