@Veronica-and-Richard0.. nun, so einfach ist die Virenbekämpfung leider nicht .. bis Mitte des letzten Jahrhunderts wusste man noch gar nicht, dass es Viren überhaupt gibt .. lediglich, dass irgendein 'Gift' (Virus, lateinisch für Gift) klein genug ist, um die Filter, die Bakterien abhalten zu durchqueren. Sowie merkte man dann irgendwann, dass Menschen, die die milde Form der Kuh-Pocken durchgemacht hatten, dann auch immun gegen das humane Pockenvirus waren, so dass man begann absichtlich mit der milden Form zu infizieren (Lebendvakzine). Diese Art der Variolation wurde im asiatischen Raum bereits seit mehr als 3000 Jahren durchgeführt.
...
...
Tja, heute, ist man viel viel weiter, auch dank der Elektronenmikroskopie seit der 1930er Jahren. Auch wissen wir heute vieles darüber, wie Viren unsere eigene Zellmaschinerie ausnutzen.
Das Coronavirus beispielsweise hat ein (+)RNA-Genom .. das heisst, um sich zu vervielfältigen benötigt es ein Enzym, welches aus RNA wieder RNA machen kann, dies hat unsere Zellen nicht .. somit ist solch ein Enzym ein perfekter Angriffspunkt für ein Medikament, da man damit unsere eigenen Zellen nicht schädigt, aber die Vermehrung der Viren radikal hemmt. Dass es solche Medikamente jedoch nicht oder nicht für viele Viren gibt, zeigt, wie schwierig dies zu entwickeln zu sein scheint (die Kombitherapie gegen HIV hat z.B. einen solchen Ansatz, der die Reverse Trankriptase hemmt, diese macht aus RNA DNA, was unsere Zellen nicht können).
Ein anderes Mittel schädigt Membranproteine, welche Corona herstellt, um in unseren Zellen ein 'abgesichertes' Kompartiment für die Replikation zu schaffen. Bei der Replikation entsteht doppelsträngige RNA, diese würde von unseren Zellen als 'fremd' erkannt, und Massnahmen dagegen unternommen, daher versteckt Corona seine Replikation in eigens dafür geschaffenen Kompartimenten. Gegen MERS gibt's ein solches Mittel, welches sicherlich auch auf seine Wirksamkeit bei Sars-Cov-2 untersucht wurde/wird.
Allerdings pro infizierter Zelle entstehen zig neue Virionen .. sowie ist die Replikation nicht fehlerlos, sprich, da können jeweils resistente Mutanten entstehen. Daher benutzt man bei HIV auch Kombitherapien, die gleichzeitig mehrere verschiedene Mechanismen angreifen. Das Risiko, dass eine Mutante entsteht, bei der gleich alle 3 Mechanismen mutant sind, ist daher um ein vielfaches geringer (rein rechnerisch würde aber dennoch alle 100 Tage eine resistente Mutante auftreten, bei Therapie mit nur einem Mittel wären es jedoch 10^6 Viren pro Tag, die eine Resistenz aufweisen).
Ein weiterer Ansatzpunkt bei den Coronaviren, wäre die Tatsache, dass sie ein Polypeptid synthetisieren, welches danach präzise in die richtigen Proteine gespalten werden muss. Doch dazu muss man erst einmal die Spaltstelle(n) identifizieren, sowie auch die katalytische Stelle der Protease. Dann kann man ein Molekül entwickeln, dass in diese Stelle passt, aber nicht geschnitten wird, sondern festgehalten, diese Protease kann somit das Polyprotein nicht mehr schneiden (auch solch ein Mittel wird bei HIV bereits verwendet .. die Entwicklung ist aber zeitaufwändig). Zudem stellt die Zelle natürlich auch neue Proteasen her, somit ist dies lediglich eine Verlangsamung, unter Umständen aber eine sehr wirkungsvolle.
Die (meiner Ansicht nach) besten Mittel gegen Viren sind sogenannte prodrugs. Diese Mittel müssen erst durch ein virales Enzym in ihre aktive Form überführt werden. Dadurch sind die Nebenwirkungen in nicht infizierten Zellen enorm gering. Dies gibt's beispielsweise für die Phosphorylierung von Nukleosiden. Unsere Zelleigenen Kinasen arbeiten da sehr präzise, allerdings virale Kinasen sind da weniger wählerisch und phosphorylieren auch Moleküle, die lediglich Nukleosidähnlich sind. Diese Moleküle führen dann aber dazu, dass die DNA an dieser Stelle nicht weiter synthetisiert werden kann, da das dazu nötige C3-OH nicht vorhanden ist.
Tja, all diese Entwicklungen benötigen enorm Zeit (insbesondere auch, bis dann alle trials bis zur Zulassung durch sind) ... und Geld .. und rentieren eigentlich bloss, für Medikamente, wo der Absatz gross genug ist, und die Leute sich das Mittel auch leisten können.
Mein früherer Prof. Urs Greber hatte in seiner Vorschungsgruppe z.B. auch ein Mittel entwickelt, welches die bei Querschnittslähmungen Erfolge verzeichnete. Die Nerven vom zentralen Nervensystem wachsen in der Regel nach Beschädigung nicht mehr nach. Dies liegt an einer inhibierenden Substanz in der Umgebung dieser Zellen. Wenn man nun diese Substanz blockiert, dann können Nerven wieder wachsen. Doch Novartis strich dann leider die Mittel.
Edit .. es war Martin Schwab mit dem Mittel gegen Querschnittlähmung (anti no go .. wurde wohl dann später doch wieder weitergeführt). Urs Greber ist zwar auch ein Prof mit dem ich arbeite .. und da mit Viren .. deshalb hatte ich ihn wohl zuerst im Kopf ; )
@Anja236... Ja, 'Fachmenschen' spriessen nun scheinbar hervor .. dem ist aber nicht so. Die gab es schon immer, und werden jetzt einfach von allen möglichen Journalen zum Thema gefragt. Z.B. mein jetziger Chef Fraefel oder eben auch Greber, ein Kollege vom Labor 'nebenan'.
